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Warum die Liebe treu ist und wir trotzdem fremdgehen

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Zu erfahren, dass der Partner fremdgegangen ist, gleicht einem Knockout. Einem Schlag ins Gesicht, der dein Ego tief verletzt, dich emotional taumeln lässt, weil es dein bisheriges Weltbild zutiefst erschüttert und dir den Boden unter den Füßen wegzieht. Hier erfährst du, warum selbst treue Menschen manchmal fremdgehen, was du tun kannst, um Untreue in deiner Beziehung zu verhindern, und wie möglicherweise ein veränderter Blickwinkel auf das Thema Untreue und Fremdgehen Raum schaffen kann, anders mit dem umzugehen, was allseits verboten und doch allseits praktiziert wird.


Warum erleben wir Untreue als derart traumatisch? Und warum betrügen nicht nur Unglückliche, sondern häufig Menschen, für die Treue und Ehrlichkeit eigentlich wichtige Werte im Leben darstellen? Und wenn wir wissen, dass eine Affäre uns des Glücks berauben und das Vertrauen und letztlich die Beziehung zum geliebten Menschen kosten kann, warum haben wir dann trotzdem eine? Fragen über Fragen...

Fallbeispiel: Monika, 34, und Heinz, 42, (Namen geändert) sind seit 14 Jahren ein Paar und seit 5 Jahren verheiratet. Monika arbeitet als Lehrerin, Heinz ist Unternehmer. Gemeinsam haben sie 3 Kinder. Als sich Meetings häufen, schöpft Monika Verdacht und erfährt so, dass Heinz eine Affäre hat. In meiner Praxis gesteht er, dass er sich ungeliebt fühlt. Die Kinder, die Schule, ihrer Freundinnen, die alleinigen Kurztrips. Er stand in ihrer Reihenfolge irgendwo ganz weit hinten und fühlte sich unwichtig. Die Aufmerksamkeit seiner Kollegin, das Gefühl von: “die Art und Weise wie ich Mann bin kommt voll gut bei ihr an, ich mache etwas und sie findet es besonders“ war Balsam für seine Seele.

Wo beginnt Untreue

Beginnt Untreue bereits beim Austausch intimer Geheimnisse mit einem Fremden, reichen begehrliche Blicke, eindeutig zweideutige Gespräche? Stellen ein heftiger Flirt oder das Sehnen nach Berührungen eines Fremden bereits Betrug am Partner dar? Oder beginnt Fremdgehen erst beim Telefonsex oder mit Sexting? Wo liegt die Grenze? Beim Berühren des anderen? Beim Küssen? Oder beginnt Untreue erst mit außerehelichem Verkehr? Oder gar erst mit einer andauernden Affäre? Fest steht, dass es keine klare Definition von Untreue gibt.

Für die einen beginnt sie mit dem heimlichen Porno schauen, für die anderen, wenn aus einem einmaligen Ausrutscher eine Affäre wird. Schätzungen schwanken daher massiv, und so geht man davon aus, dass in etwa einem Drittel bis mehr als 2 Dritteln aller Partnerschaften fremdgegangen wird. Zur fehlenden Einigkeit der Definition kommt hinzu, dass die überragende Mehrheit der Fremdgeher einen Betrug verschweigen würde. Und das, obwohl 95% von uns sagen, dass sie es dem Partner übel nehmen würden, sollte dieser die Wahrheit für sich behalten.

Untreue im Wandel der Zeit

Der Seitensprung ist so alt wie die Menschheit selbst. Der Homo Sapiens unterscheidet sich in nur etwas über einem Prozent seiner Gene von seinen unmittelbaren Vorfahren. Doch wie sich das Umherwandern mit biologisch-evolutionären Theorien rechtfertigen lässt, so können auch dauerhafte Paarbeziehungen im Lichte der Evolution betrachtet werden. Wir wissen es nicht genau, doch irgendeinen Vorteil muss diese Form des Zusammenlebens gebracht haben, sie hätte sich ansonsten - neben anderen -, nicht durchsetzen können. Was wir aber sehr wohl wissen, ist, dass die Ehe früher als ein wirtschaftliches Unternehmen angesehen wurde.

Dabei stand Liebe zwar auch im Mittelalter und der frühen Neuzeit auf dem Programm. Doch wurde damit etwas ganz anderes transportiert, als wir dies heute tun. Abgesehen davon ist man damals davon ausgegangen, dass Liebe mit der Zeit wachsen wird. Erst die Entwicklung eines Bewusstseins der menschlichen Individualität während der Zeit der Aufklärung hatte zur Folge, dass nach und nach Liebe als ein Gefühl betrachtet wurde. Als eine Zuneigung zu einem anderen Menschen, gerechtfertigt nur durch sich selbst und nichts anderes. Plötzlich wurde aus einer Ehe ein romantisches Arrangement, und Untreue hatte nicht mehr die wirtschaftliche Sicherheit bedroht, sondern uns selbst!

Untreue bedroht unsere Einzigartigkeit

Untreue ist zum emotionalen Supergau geworden, doch nicht nur aufgrund unserer Vorstellung eines romantischen Ideals. Unsere Gesellschaft hat in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr eine sehr egozentrische Weltansicht entwickelt, in der der einzelne über allem steht. Unser Partner muss heute feuriger Liebhaber, verständnisvoller Zuhörer und bester Freund, liebevoller Vater und intellektuell ebenbürtig sein. Denn das habe ich verdient! Ich bin nämlich einzigartig und unersetzbar! Gewissheit zu erlangen, einen untreuen Partner zu haben, ist immer schon etwas Schmerzhaftes gewesen, doch wenn ich heute davon ausgehe, die Eine, die Auserwählte zu sein, kann sich Untreue traumatisch auswirken. Weil sie unseren Selbstwert bedroht! Ein untreuer Partner sagt mir: Ich bin es nicht – der / die Eine.

Mehr Fremdgehen denn je zuvor

Doch obwohl wir uns auf die Treue unseres Partners ganz besonders verlassen - was die Vorstellung vom romantischen Ideal ebenso mit sich bringt -, waren wir noch nie mehr dazu geneigt, fremdzugehen! Wir leben in einer Zeit, in der wir uns berechtigt fühlen, unsere Wünsche zu verfolgen und zur Erfüllung zu bringen. Wir haben verdient, glücklich zu sein! Hat man sich früher scheiden lassen, weil man unglücklich war, so lässt man sich heute scheiden, weil wir glauben, noch glücklicher sein zu können. Während früher Scheidung eine große Schande mit sich brachte, ist heute Bleiben die neue Schande.

Doch warum betrügen wir nun wirklich?

Es heißt, Männer betrügen in erster Linie, um eine größere Auswahl an Partnerinnen zu haben, oder weil es sich eben so ergeben hat. Frauen hingegen gehen fremd, weil sie sich zu wenig beachtet oder vom Partner nicht mehr geliebt fühlen. Zudem geben viele an, betrunken gewesen zu sein oder nicht klar gedacht zu haben. Wenn in Beziehungen betrogen wird, meint man im Allgemeinen, dass mit dieser etwas nicht in Ordnung ist. Oder dass mit dem, der betrügt, etwas nicht stimmt. Würde das aber nicht bedeuten, dass mit Millionen von Menschen etwas nicht stimmt? Tatsächlich wird am häufigsten ein Mangel an Liebe bzw. Vernachlässigung in der Beziehung als Antrieb für Untreue angegeben, dicht gefolgt von der Lust auf zusätzliche Sexualpartner. Andere wiederum werden untreu, weil sie ihr eigenes Selbstbewusstsein steigern wollen.

Trotzdem: Nach tausenden von Beratungen mit Paaren weltweit, kann ich mit Gewissheit sagen, dass der größte Teil meiner Klienten keine notorischen, dauergeilen Seitenspringer sind. Im Gegenteil! Mehrheitlich sind allesamt zutiefst von Monogamie überzeugt – und doch gehen sie fremd! Monogamie hieß einst: Ein Partner fürs ganze Leben. Heute heißt Monogamie: Immer nur ein Partner. Wie passt das alles zusammen? Kann es etwa sein, dass es da etwas gibt, das selbst eine gute Beziehung nur selten bieten kann? Und wenn sich selbst glückliche Paare betrügen: Um was geht´s dann?

Untreue aus Sehnsucht, sich selbst treu zu bleiben

Die Beziehungstherapeutin Esther Perel sieht in der Untreue etwas Unerwartetes. Affären stellen für sie durchaus einen Betrug dar, doch sind sie auch Ausdruck einer Sehnsucht eines anderen Ichs. Sicher, Kern einer Affäre kann ein Verlangen nach Emotionalität sein, nach Selbstständigkeit und nach sexueller Intensität, doch hat Untreue ebenso mit dem Wunsch zu tun, verlorene Teile unseres Selbsts zurückzugewinnen. Es ist nicht unser Partner, von dem wir uns abwenden, sondern es ist die Person, die wir selbst geworden sind. Wir geben einer Seite von uns Raum, die wir vernachlässigt haben oder noch nie zum Ausdruck bringen konnten bzw. durften.

Wenn wir in einer Affäre das tun, was ansonsten in keiner Weise unseren Rollenbildern entspricht oder etwas tun, das wir nicht tun sollten, fühlt sich das an, als täten wir, was wir wollen! So gewinnt man Souveränität und fühlt sich frei! Und natürlich geht es auch um Sex, doch noch mehr geht es um das Verlangen, den Wunsch nach Aufmerksamkeit, das Bedürfnis, sich als etwas Besonderes zu fühlen. Sich wichtig zu fühlen.

Untreue als Gegenspieler zum Tod

Esther Perel sieht aber auch im Umgang mit Verlustängsten einen Grund für Untreue. Sterben und Sterblichkeit werfen Fragen auf: Ist das etwa alles gewesen? Gibt es da nicht vielleicht doch noch mehr? Werde ich für die nächsten 25 Jahre so weitermachen? Werde ich jemals wieder etwas fühlen können? Ein Elternteil, der beste Freund. Ein Verlust treibt Menschen dazu an, Grenzen zu überschreiten. Auch eine beunruhigende Diagnose vom Arzt vermag dies zu tun. Oder wir wollen im Ringen um die Erkenntnis der eigenen Endlichkeit Vitalität zurückerlangen. Affären können der Versuch sein, eine innere Taubheit zu bekämpfen. Untreue als Mittel gegen den Tod. Ein Mittel gegen das Abgestumpftsein. Um sich lebendig zu fühlen.

Untreue als Chance

Affären tun in erster Linie höllisch weh, und für eine problembehaftete Beziehung kann Untreue der Todesstoß sein. Fakt ist aber, dass die Mehrheit der Paare tatsächlich zusammen bleibt, dass viele diese Krise als Chance begreifen und in eine produktive Erfahrung umwandeln können. Chaos kann zu einer neuen Ordnung führen, der Status Quo, der sowieso nicht mehr funktioniert hat, muss nicht länger aufrechterhalten bleiben. Oft werden erst anlässlich einer Affäre tiefgründige Gespräche voller Ehrlichkeit und Offenheit möglich, und Partner, die sexuell abgestumpft waren, finden sich plötzlich in unersättlicher Lust wieder. Denn letztlich sucht eine überragende Mehrheit der Menschen noch immer einen Partner fürs ganze Leben!

Untreue verarbeiten

Wichtig ist nun, nicht nach schmutzigen Details zu fragen: Wo habt ihr es getan? Wie oft? Ist er/sie besser im Bett als ich? Antworten darauf fügen nur Schmerzen zu und halten nachts wach. Im Hinblick darauf, dass Untreue eben auch bedeuten kann, dass wir uns nicht nach einer anderen Person umsehen, sondern einem anderen Ich Ausschau halten, sollte man stattdessen fragen: Was hat diese Affäre für dich bedeutet? Was warst du in der Lage dort auszudrücken oder zu sein? Was konntest du erleben, das du mit mir nicht mehr erlebst? Schmerz auf der einen Seite, doch Wachstum und Selbstentdeckung auf der anderen!

Eine neue Gelassenheit. Wie soll das gehen?

Vor gar nicht allzu langer Zeit hatte man den ersten Sex in der Ehe, heutzutage hört man ab der Ehe auf, Sex mit anderen zu haben. Das frustriert manche von uns. Längst könnte uns dämmern, dass - für einen fairen Umgang mit sich selbst und dem Partner -, Untreue nicht bloß schwarz/weiß gesehen werden kann und nicht nur „böse“ Menschen fremdgehen. Eher unwahrscheinlich, dass mit Millionen von uns etwas nicht stimmt! Viel wahrscheinlicher ist doch, dass es da tatsächlich etwas gibt, das selbst eine gute Beziehung, in der herkömmliche Form, kaum in der Lage ist zu bieten.

Für eine langfristig glückliche Beziehung auf Augenhöhe ist es für mich daher an der Zeit und beinahe unumgänglich, einen Raum zu schaffen, der unsere Sehnsüchte und unser Verlangen nicht länger unterdrückt und in dem uns Doppelmoral nicht länger verwirrt und frustriert.

Die Liebe ist treu, doch wir sind es nicht!

Wäre ein solcher Raum für das Glück einer Paarbeziehung nicht allemal zielführender? Wäre ein entspannter er, weniger vergifteter Umgang mit der Tatsache, dass auch an sich monogame Menschen hin und wieder ein Verlangen (nach Abwechslung) verspüren, nicht sinnvoller? Unausweichlich suchen unterdrückte Sehnsüchte ein Ventil – so oder so. Wäre es nicht besser, diese als gegebene Herausforderung anzunehmen und gemeinsam das Beste daraus zu machen? Stop! Stop! Nicht, dass ich falsch verstanden werde!

Das hier ist keine Legitimation für Untreue, für Lügen oder Betrug! Das hier ist ein Aufruf zu mehr Ehrlichkeit, mehr offenen Gesprächen, mehr Fairness, echtem Vertrauen und letztlich mehr Gelassenheit im Umgang mit dem Thema Untreue. Es ist ein Aufruf, gemeinsam mit dem Partner nach einer Lösung zu suchen. Gemeinsam zu definieren, was Untreue bedeutet und wie man mit Verlangen umgehen will.

Angst vor der eigenen Untreue

Nicht die Untreue des Partners, sondern die eigene Fehlbarkeit macht uns Angst. Mal ganz ehrlich, Hand aufs Herz! Wer von uns hat nicht schon des Öfteren über Sex mit anderen nachgedacht? Wer von uns hat keine “schmutzigen“ Gedanken oder heimlichen Fantasien? Und wen würde umgekehrt nicht beunruhigen bzw. verstören, hätte der Partner solche Vorstellungen? Aus meiner jahrelangen Erfahrung mit unterschiedlichen Paaren weltweit weiß ich, dass viele ihre sexuellen Wünsche vorenthalten oder in diesem Zusammenhang gar lügen. Auch aus Angst, dass die nackte, einmal ausgesprochene Wahrheit als Freibrief zum Fremdgehen miss interpretiert wird. Und der eigene Partner plötzlich das auslebt, worüber man selbst nur phantasiert, aber nicht gedenkt, in die Realität umzusetzen.

Fallbeispiel: Erst vor kurzem waren Julia, 32, und Franz, 36, (Namen geändert), verheiratet und Anwälte mit 2 Kindern, bei mir. Die beiden sind seit mehr als 11 Jahren ein Paar, doch Julia ist fremdgegangen und führte längere Zeit eine Außenbeziehung. Sie beteuerte, dass es das Schlimmste für sie wäre, wenn Franz sie verlassen würde, denn trotz alledem liebe sie ihn über alles.

Warum sie dann Sex mit einem anderen Mann hatte, wollte ich wissen. Nach langem Hin und Her gestand sie: „Weil ich Fantasien à la „Shades of Grey“ habe und Angst hatte, dass Franz mich dafür belächeln oder gar ablehnen würde.“ Ob sie denn diesen Fantasien mit Franz nicht nachgehen könne, wollte ich weiter wissen. „Ich bin die Ehefrau von Franz, und als solche weiß er genau, wie ich ticke. Ich weiß, es klingt vielleicht blöd und ist sehr egoistisch, aber ich wollte einfach mal jemand anderer sein. Es ist leichter, sich neu zu erfinden und über Grenzen zu wagen, mit jemandem, der dich nicht so gut kennt.“

Affären sind geheimnisvoll und emotional, erklärte ich ihnen. Und im Normalfall passt die sexuelle Chemie. Auf die Chemie sollte ganz allgemein ein Augenmerk gelegt werden. Warum? Alleine die Vorstellung von einer Person, die mich anziehend findet und leidenschaftlich küssen will, kann dabei genauso anregend sein und einen erotischen Schauer auslösen, wie ein echter Kuss. „Es ist unsere Fantasie, die für Liebe verantwortlich ist, nicht der andere“, hat Marcel Proust einmal gesagt.

Treue 2.0 – Monogamisch

Danach stellte ich den beiden das Modell der monogamischen Lebensweise vor. Und unterstützte sie dabei, in einem geschützten Rahmen ehrlich und offen miteinander über Dinge zu sprechen, die keiner von beiden bislang gewagt hatte anzusprechen. Auch Franz gestand sich in dieser Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens und radikaler Ehrlichkeit ein, schon länger nicht mehr jene Leidenschaft zu verspüren, die sie am Anfang miteinander verbunden hatte. Das Gespräch intensivierte ihre tiefgreifende Zuneigung aufs Neue, und sie erkannten, dass es einen Ort jenseits von Schuld und Unschuld gibt, wo sie sich von nun an öfter begegnen wollen.

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Apropos - Warum die Liebe treu ist und wir trotzdem fremdgehen

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